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Sechs Positionen heutiger Zeichnung im Gluri Suter Huus in Wettingen 2006 (Auszug) Hand in Hand – Gesten der Berührung «Als wichtigster und reizvollster ergab sich der Wunsch, eine Ansicht des Lebens zu gewinnen (...), in der das Leben zwar sein natürliches schweres Fallen und Steigen bewahre, aber gleichzeitig mit nicht minderer Deutlichkeit als ein Nichts, als ein Traum, als ein Schweben erkannt werde. Vielleicht ein schöner Wunsch, wenn ich ihn richtig gewünscht hätte.» Bernadett Madörin Mit Wünschen und Möglichkeiten und den daran gekoppelten Gefahren beschäftigt sich Bernadett Madörin, die mit monumental anmutenden Zeichnungen vertreten ist. Die Zuger Künstlerin widmet sich bereits seit sechzehn Jahren der Pflanzenwelt. «Kleines gross gespeichert», lautet ihr zentrales Schaffensmotto. Die Schönheit der Pflanzen und ihrer verborgenen Reize faszinieren sie, während ihr manipulierende Eingriffe Schrecken einjagen. Ihre im Treppenhaus aufgehängten Digitaldrucke auf schillerndem Baumwollstoff kreisen um das Thema der Genmanipulation. Zwei Realitäten treffen aufeinander und bringen eine hybride Wirklichkeit hervor, die in ihrer Zwiespältigkeit beunruhigend wirkt. Organische Natur und Künstlichkeit prallen aufeinander. Natürlich vorhandenes Zellenmaterial, dokumentiert in wissenschaftlichen Publikationen, hat Bernadett Madörin in Form einer frei interpretierten Anlehnung in eigene Bleistiftzeichnungen übertragen, danach das Ganze digitalisiert und mit erfundenen Zellformationen, die als farblich akzentuierte Fremdkörper auftreten, kombiniert. Bernadett Madörin arbeitet mit gesammeltem Pflanzenmaterial aus der Natur, mit Abbildungen aus Büchern, mit Scanner und Computer, mit Drucker und Mikroskop, mit Projektor und Farbe, mit Papier und Graphit. Nach den Pflanzensamen und den Pflanzenzellen ist sie bei den Pflanzenpollen angelangt. Was im ersten Moment eher an allerlei stachliges Unterwassergetier denken lässt, an kleinere und grössere Fantasy-Monster oder monströse Schutzmasken, sind die Pollen von (aufrechtem)Traubenkraut (Ambrosia artemisifolia), Glockenblume, Huflattich, Passionsblume und Wegwarte. Wo sich wohl eher Heilendes, wo eher Schädliches verbirgt? Ein riesiges, in einer grossen Halle schwebendes Luftobjekt, von innen heraus zartgrün beleuchtet und durch einen Ventilator leicht bewegt, gleichsam zum Atmen gebracht, ging den Pollenarbeiten voraus. Das Schweben der Samenkapsel sollte bei den Pollen nachhallen. Wie im Fluge sollen sie erscheinen. Kleinste Aus- und Einbuchtungen erzeugen in der stark vergrösserten Ausführung Schluchten und Krater, Täler und Hügel. Die faszinierende Schönheit geht dabei mit einer nicht absehbaren Sprengkraft einher. Die Ähnlichkeit mit Handgranaten ist nicht zu übersehen. Im Internet hat Bernadett Madörin eine Pollendatenbank gefunden. Einige besonders ausdrucksstarke Exemplare hat sie ausgewählt, in den Computer eingescannt, dann auf Folien ausgedruckt und diese wiederum für Projektionen an die Wand genutzt. Die projizierten Formvorgaben haben schliesslich als Orientierung für die mit den Fingern und Graphitstaub hauchzart modellierten Zeichnungen gedient. Die gesamte Ausstellung ist ein einziger vielgestaltiger Austauschprozess. Ich danke Ihnen. ©Sabine Arlitt, lic. Phil. I, Zürich |